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Konjunkturboard Ostschweiz: Verhaltene Zuversicht trotz fehlender Auslandsaufträge

Der Abwärtstrend in der Ostschweizer Wirtschaft konnte weitestgehend aufgefangen werden. Der Binnenmarkt weist weniger starke Bremsspuren auf als zuletzt befürchtet und Teile der Industrie zeigen Anzeichen einer Erholung. In den exportorientierten Branchen akzentuiert sich jedoch der Mangel an Auslandsaufträgen. Neben der schwachen konjunkturellen Lage im Ausland belastet der starke Franken zunehmend. Derweil bleibt es auf dem Arbeitsmarkt trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten ruhig.

Die wirtschaftliche Situation in der Ostschweiz zeigte sich im vergangenen Quartal weiterhin solide. Nach wie vor besteht aber eine grosse Diskrepanz zwischen Binnenmarkt und Exportsektor. Auch innerhalb der Industrie zeigen sich verschiedene Tendenzen. Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie beweist Stärke und berichtet von einer guten Geschäftslage. Der Ostschweizer Maschinen- und Fahrzeugbau konnte nach einer Eintrübung zuletzt wieder leicht zulegen. Demgegenüber ist die Stimmung in der Metallindustrie und unter den Unternehmen im Bereich Elektronik und Optik weiter angespannt. Unter letzteren berichtet derzeit jedes zweite Unternehmen von einer «schlechten» Geschäftslage.

Arbeitskräftemangel weiterhin zentrales Problem

Positive Signale gehen vom Arbeitsmarkt aus, der sich trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten weiter robust zeigt. «Die Arbeitslosenquote in der Ostschweiz liegt mit 1,8 Prozent weit unter dem langjährigen Mittel», sagt Fabio Giger, Research Analyst der IHK St.Gallen-Appenzell. Die Anfragen für Kurzarbeit bei den Kantonen sind tendenziell rückläufig. Zwar bewerten Ostschweizer Industrieunternehmen ihre Beschäftigtenzahl vermehrt als «zu gross», derzeit gibt es aber keine Anzeichen für grössere Verwerfungen im Arbeitsmarkt – auch nicht in anderen Branchen. Im Baugewerbe, aber auch im Detailhandel und im Gastgewerbe bleibt der Mangel an Arbeitskräften weiterhin eine der grössten Herausforderungen. Einzig im stark von der Abkühlung betroffenen Grosshandel zeigen sich gewisse personelle Überkapazitäten.

Binnenmarkt weist weniger starke Bremsspuren auf als befürchtet

Der Binnenmarkt in der Ostschweiz profitiert nach wie vor vom privaten Konsum, der von der hohen Arbeitsplatzsicherheit gestützt wird. Der Detailhandel blickt auf ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft zurück. Im Gastgewerbe hat sich der Abwärtstrend verlangsamt. Die Hotellerie kann fast gleich viele Logiernächte verbuchen wie im starken Vorjahr. Und auch der Ausblick des Detailhandels und des Gastgewerbes stimmt optimistisch. Weiterhin sehr erfreulich entwickelt sich die Banken- und Versicherungsbranche, die im derzeitigen Zinsumfeld wieder mehr Spielraum hat.

Die aktuelle Lage im Bausektor wird weiterhin als «gut» bewertet. Das Baunebengewerbe hat volle Auftragsbücher, vor allem dank energetischer Sanierungen bestehender Immobilien. Im Bauhauptgewerbe werden Geschäfts- und Auftragslage ebenfalls positiv eingeschätzt, auch wenn es erste Anzeichen einer leichten Abkühlung gibt. So ist der Auftragsbestand zwar leicht rückläufig, allerdings berichten die Bauunternehmen von einer guten Auftragsreichweite, die weit ins Jahr 2024 hinein reicht. Damit zeigt sich die Baubranche weiter robust gegen die gestiegenen Zinsen und die dadurch verteuerten Finanzierungsbedingungen.

Vielfältige Konjunkturrisiken

Das globale Umfeld bleibt herausfordernd. Geopolitische Risiken bleiben bestehen, wie auch die jüngsten Angriffe auf Container-Schiffe im Roten Meer gezeigt haben. Diese beeinträchtigen den Transport von Produkten von Asien nach Europa und führen zu steigenden Frachtkosten und punktuell zu Lieferverzögerungen. Die Inflation zeigte sich in den vergangenen Monaten zwar rückläufig, hält sich sowohl im Ausland als auch in der Schweiz aber hartnäckig. Zuletzt machten sich hierzulande Erhöhungen von (teil-)administrierten Preisen im privaten Haushaltsbudget bemerkbar: Strompreise, Mehrwertsteuer und Krankenkassenprämien sind per Januar 2024 gestiegen, die Mietzinsen werden aufgrund des erneut angehobenen hypothekarischen Referenzzinssatzes folgen.

«Trotz aller Widrigkeiten hält sich die Ostschweizer Wirtschaft robust und zeigt einmal mehr ihre Widerstandsfähigkeit», ordnet Fabio Giger ein. Der Geschäftslageindikator verdeutlicht, dass sich die wirtschaftliche Lage im vergangenen Jahr zwar eingetrübt hat, sich jedoch noch immer im positiven Bereich und gar über Vorpandemie-Niveau befindet. «Nach zwei sehr starken Jahren, ausgelöst durch pandemiebedingte Nachholeffekte, befindet sich die Ostschweizer Wirtschaft jetzt in einer Konsolidierungsphase», fasst Fabio Giger zusammen.

Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft. Basis dafür bilden die regelmässigen Konjunkturumfragen in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.

Das Konjunkturboard setzt sich wie folgt zusammen: Vonseiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Jan Riss, Chefökonom, sowie Fabio Giger, Research Analyst, und vonseiten der St.Galler Kantonalbank aus Céline Koster, Konjunkturexpertin, sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallen, Daniel Lehmann, Leiter Amt für Wirtschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden, sowie Thomas Reinhard, Leiter Projekte und Wirtschaftsfragen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

Die Resultate und Analysen der aktuellen Umfrage können interaktiv auf der Plattform www.konjunkturboard.ch abgerufen werden.

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